Pferdegeschichten
Ein glückliches Ende oder Die Erinnerung des alten Ponys
Freiheit/ Freedom
Die
pechschwarze Mähne stand flatternd im Wind, das Herz eines Löwen
verspielt wie ein Kind, im Blizzard geboren, vom Teufel bewacht, hat der
eiskalte Sturmwind sein Feuer entfacht.
Ein Mann aus den Bergen hat Ihn einst gesehen am Rande des Canyons wo die
Wölfe sonst stehen, ein Pferd aus der Hölle von Satan gemacht, selbst das
weiße im Auge war schwarz wie die Nacht.
Ein wildes Pferd will keinen Sattel, ein alter Wolf frißt niemals aus der
Hand, das Gold der Berge ist die Freiheit, wilde Pferde, wilde Wölfe, wildes
Land.
Sein glänzendes Fell hat noch niemand berührt, kein Mensch hat Ihn jemals am
Zügel geführt, die trommelnden Hufe stampfen im Sand, er war ein König und
dies
war sein Land.
Hoch in den Rockys fand man ein Lasso ein Schriftzug im Felsen erinnert
daran an die Zeit als Wölfe und Mustangs verschwanden, an die Zeit als die
Jagd auf die Freiheit begann
George und
Paul
Bis vor kurzer Zeit
hatte ich keine Ahnung, ob eine echte Freundschaft zwischen einem Pferd und
einem Hund überhaupt möglich ist. Soweit ich aus meiner verhältnismäßig großen
Erfahrung beim Reiten folgern konnte, hegte ich trotzdem über diese Möglichkeit
etliche, nicht grade grundlose Zweifel. Einerseits bellen Hunde heftig in
Anwesenheit eines Pferdes, besonders wenn sie sich in ihrem eigenen Territorium
befinden, andererseits scheinen Pferde dagegen meistens keine Angst vor Hunden
zu haben.
Nun, ich reite ( es wäre aber passender zu sagen ich ritt) ein argentinisches
Pferd, ganz ruhiges, prima trainiertes Tier. Das Pferd heißt George und ich
habe es 14 Jahre lang geritten. Meine Reitgenossen nannten es Moped und tatsächlich
war George wie ein Moped zu fahren. Als ich auf den Sattel sprang, blieb
das Tier ganz ruhig da stehen, streichelte ich die rechte Seite seines
Halses er ging Schritt, das zweite Streicheln rechts hieß Trab und
das dritte Streichenl rechts hieß Galopp. Das Gegenteil passierte, wenn ich
Georges Hals an der linken Seite streichelte, also Galopp, Trab, Schritt,
Stehen. Kein Mensch hat mir das geglaubt, bis er es selber nicht gesehen hat.
Am Bauernhof, wo George zu Hause ist, lebte ein kleiner Hund Namens Paul. Ein
Mischling möchte ich sagen, er bellte den ganzen Tag und die ganze Nacht
hindurch auf jedes Ding an, das sich bewegte. Aber als George zum Bauernhof
gelangte und Paul ihn zum ersten Mal sah, bellte der Hund nicht, dagegen
betrachtete er das Pferd lange mit solchem Blick, wie ich nie vorher an ihm
gesehen hatte. Das war der Anfang ihrer Freundschaft.
Ich muß zugeben, daß George ein glückliches Pferd ist. Er hat einen geräumigen
Stall, so sauber und gepflegt wie mein Schlafzimmer, die meiste Zeit verbringt
er aber nicht im Stall, sondern in einem großen Paddock, dessen Seiten ca. 100
m messen. Dort kann er nach belieben Sonne genießen oder im Schatten
weiden.
Paul hatte vor Georges Ankunft kein besonderes Interesse für diesen
Paddock gezeigt, auch wenn ein Pferd drin war. Erst jetzt, als George im Paddock
hin und her wanderte, saß der Hund im Schatten an einer Ecke des Zaunes und
betrachtete neugierig die Bewegungen seines Freundes. Ab und zu ging das Pferd
zur Ecke, wo der Hund saß und schnaufte ihm entgegen, wobei der Hund etwas wie
ein klägliches Geschrei vor sich gab.
Als die anderen Pferde ausritten, stand Paul beiseite; im besten Fall begleitete
er die Pferde bis zum Ausgangstor des Hofes, dann machte er kehrt..
Wenn ich aber allein mit George
ausritt, folgte er uns bescheiden, zuerst in respektvoller Entfernung , dann
immer näher. Ich hatte nichts dagegen, da ich wußte wenn etwas paßiert
wäre, wäre der Hund zum Hof zurückgekehrt, hätte den Bauern alarmiert und
zur Unfallstelle geführt - das trotz des Mopeds; ihr wißt ja, wenn man reitet,
kann jeden Augenblick was passieren.
Das Land, wo wir reiten, ist eine flache, meistens mit Anbauflächen bedeckte
Ebene, nur hier und dort bieten kleine Pappel - und Buchenwäldchen Schutz
vor der Sonne. Gepflasterte Straßen gibt's fast keine, so daß man in aller
Ruhe reiten kann ohne Gefahr zu laufen von einem Auto oder einem Lkw
angefahren zu werden.
Außer einer, einer einzigen gradlinigen Straße, welche zwei benachbarten
Dörfer verbindet. Diese Straße vermied ich mit größter Sorgfalt .
Aber an jenem
Tag, es war Mitte August und auf der Straße fuhr knapp alle zehn Minuten ein
Auto , war ich mit einer Freundin verabredet, die ihr Pferd auf einem
naheliegenden Hof hatte. Wir wollten ein bißchen miteinander reiten und um zu
dem Hof zu gelangen mußte ich zwangsläufig jene Straße überqueren.
Bis dahin war Paul an der Seite des Pferdes wie üblich dahin getrottelt, denn
er wagte sich nie sehr weit von seinem Freund weg. Als wir aber die Straße
erreichten, machte Paul etwas , das ich nie hätte voraussehen können -
er lief nämlich unbesonnen mitten auf die Straße.
Ich gab George sofort durch Streicheln der rechten Halsseite den Galoppbefehl und versuchte gleichzeitig den Hund zurückzurufen - erfolglos.
Plötzlich hörte
ich etwas, das mich aufhorchen ließ ; es war zweifellos das Heulen eines
Motors, also eines Autos, das vermutlich mit großer Geschwindigkeit auf
uns zu fuhr. Nur einen Augenblick später konnte ich sogar sehen, worum es sich
handelte ; das Auto fuhr in grader Richtung auf den Hunde zu. In
panischer Angst versuchte ich George zu stoppen, indem ich seine linke Halsseite
wiederholt streichelte ( Zügeln hatte ich wie üblich keine dabei ) - doch der
Versuch schlug fehl. Das Pferd galoppierte in rasendem Tempo Richtung Auto mit
dem eindeutigen Zweck zwischen Auto und Hund zu kommen um damit
seinen Freund zu retten.
Als der Autofahrer uns sah, bremste er verzweifelt, konnte aber den
Aufprall nicht vermeiden. Ich wurde aus dem Sattel geschleudert und flog - zum
Glück ohne schwerwiegende Folgen - in ein Weizenfeld. Auch George hatte
außer ein paar Abschürfungen keine Verletzung erlitten. Paul war
vollkommen heil und gesund davongekommen. Wir konnten sogar meine Freundin
treffen und behandelten George dort auf dem Hof.
Von diesem Tag an war die Freundschaft zwischen den beiden Tieren noch tiefer.
Der Hund wollte nicht mehr auf seinem Lager schlafen sondern schlich sich
unbemerkt durch das Gitter in den Stall des Pferdes. Wenn Paul aus
irgendeinem Grund nicht kam wieherte George ununterbrochen und schlug mit
den Hufen gegen die Stallwände, bis der Bauer endlich verstand was er zu tun
hatte. Paul kauerte sich dann in eine Ecke des Stalles und wenn George
eingeschlafen war legte er sich zwischen seine Vorderbeine. Dort blieb er dann
die ganze Nacht liegen.
Auch beim Fressen verlief die Sache gleichermaßen; Paul verweigerte sein
Futter wenn nicht George nicht anwesend war und umgekehrt war es
genauso. Der Bauer, ein gutmütiger Kerl der viel über Tiere wußte, staunte
sehr darüber und schwor, daß er so etwas noch nie im Leben gesehen
hatte.
Paul starb, als er etwas mehr als 15 Jahre alt war; also für einen Hund etwas
ganz normales. Er bekam eine Darmkolik und war - obwohl ich ihn rechtzeitig zum
Tierarzt brachte - nicht mehr zu retten. Ich ließ ihn in der Nähe des
Zaunes begraben, grade am Ort wo er immer saß, als er sein Pferd mit
liebevollen Augen betrachtete.
Nach Paul`s Tod ist es aus mit Moped , genauer : George läßt mich
einfach nicht mehr aufsteigen, trotz meiner vielfachen Versuche. Das einzige was
ich mit dem Pferd noch unternehmen kann ist, es in den Paddock zu führen.
Dort wandert er den ganzen Tag ein bißchen fremd umher, frißt nur ungern das
Gras und wenn er zufällig das Bellen eines Hundes hört schaut er
herrum und seine Augen werden unendlich traurig.
Manchmal schreitet er zur Ecke des Zaunes, dort wo Paul begraben ist und schnauft. Schnauft ins Nichts...
Rasputin´s Weihnachten
Es war in
jenem Dorfe, am Fuße eines kleinen Hügels, es war der Abend des 23. Dezember
in jenem Jahr.
Der alte Rasputin, ein 24 Jähriger Kaltblut-Hengst, stand unruhig vor dem
vergitterten Fenster in seinem Stall.
Durch die Gitterstäbe beobachtete das Tier den kleinen ,dörflichen Marktplatz,
der mit bunten Lampen in ein ungewohntes Licht getaucht war.
Menschen liefen eilig von links nach rechts über den kopfsteingepflasterten
Platz, hielten kurz an,
plauderten ein wenig mit anderen Menschen, warfen einen Blick gegen den Himmel
und verschwanden dann ebenso eilig in der Dunkelheit.
Schnee an Weihnachten, so etwas hatte es wohl früher einmal gegeben;
damals, erinnerte sich Rasputin, damals im Winter waren die Teiche noch
Zentimeter dick zugefroren, konnte man sich vor lauter Lust im Schnee wälzen.
In einer kleinen Ecke des Marktplatzes war eine Krippe aufgebaut.
Es war die klassische Anordnung: Maria und Josef im Hintergrund, eine Wiege mit
dem kleinen Jesuskind davor, links und rechts einige Hirten mit ihren Schafen.
Am Eingang zur Krippe lagen Ochs und Esel.
Ausgerechnet ein Esel, dachte Rasputin. Wenn die Menschen das Wort Esel
benutzen, ist es meistens etwas abfälliges. Auch der Bauer hatte ihn in den
letzten Jahren öfters einen dummen, faulen Esel genannt.
Rasputin wandte sich vom Fenster ab, beugte seinen Hals langsam zur Tränke und
schlürfte ein wenig Wasser. Nach fressen war ihm nicht zumute, auch wenn der
Bauer kurz zuvor die Nachtration verabreicht hatte.
Mit einer müden Bewegung richtete Rasputin sich auf. Als sein Blick wieder auf
die Krippe fiel, sah er etwas, das ihm vorher noch nicht aufgefallen war. Es
schien ihm, als ob in der Mitte, dort wo das neugeborene Kind lag, ein kleines
bläuliches Licht sei. Er wollte dem erst nichts besonderes beimessen, doch je länger
seine Augen das Licht fixierten, desto größer schien es ihm. Schließlich war
es so hell, daß sein ganzer Stall in diesem blauen Glanz erstrahlte. Plötzlich
stand nur wenige Meter von Rasputin ein kleiner Junge, vielleicht drei Fuß
hoch. Der Bub, den das alte Pferd noch nie gesehen hatte, reckte seine Ärmchen
nach oben und sagte:
"Laß uns ausreiten Rasputin, es ist Weihnachten." Und ehe Rasputin
sich versah, saß der kleine Gast auf seinem Rücken. "Die Stalltür ist
offen!", sagte der kleine Reiter. "Lauf Rasputin, lauf!"
Rasputin machte einen gewaltigen Satz aus dem Stall heraus und stand draußen,
inmitten einer riesigen Weide. Das Gras war noch dünn und kurz, einige wenige
Blumen streckten ihre kleinen Blüten in die Sonne.
"Es riecht nach Frühling.", rief Rasputin und galoppierte kreuz und
quer über das Gelände. "Nicht so stürmisch.", rief der kleine
junge. "Sonst brichst du dir noch ein Bein." "Ach was!",
rief Rasputin zurück. "Ich kenne diese Wiese, hier bin ich geboren, hier
haben wir getollt,
gesprungen und gespielt, gleich dort drüben, an diesem Baum, da war mein
Zuhause. Wie ist das möglich?" wieherte Rasputin. "Wo kommt das alles
her?" Er galoppierte zu dem zuvor genannten Baum. "Es ist
Weihnachten!", rief der Junge. "Lauf Rasputin, lauf!"
Als sie an Rasputins Baum angekommen waren, stand der Baum in voller Blüte, die
Blätter waren dick und saftig und es war auch viel wärmer geworden.
Schmetterlinge tanzten um seine Nase, die Luft vibrierte vom Summen der Bienen.
"Siehst Du den Bauern dort auf dem Feld, und daneben den kräftigen,
starken Hengst?", fragte der Junge.
"Das bin ich!", rief Rasputin "Das ist mein Feld, dort habe ich
gearbeitet.
Jeden Morgen ist der Bauer mit mir hierher geritten, manchmal mit anderen
Pferden, schneller als der Sommerwind. Wie ist das möglich, kleiner
Junge?", rief Rasputin und stürmte weiter über die Landschaft.
"Es ist Weihnachten! lauf Rasputin, lauf!"
Nach einer Weile hielt Rasputin auf einer kleinen Waldlichtung inne. Unter
seinen Hufen raschelten die Blätter, die Bäume trugen gelbbraune Farbe und
Regen hatte eingesetzt. "Was ist los?", fragte der kleine Junge.
"Ich muß etwas verschnaufen", keuchte Rasputin. "Hier im Wald
haben wir auch gearbeitet, haben große Baumstämme gezogen, manchmal
stundenlang ohne Pause, "bevor der Winter kommt" hat der Bauer dann
immer gesagt."
Es muß Herbst sein, dachte Rasputin und zu seinem Reiter gerichtet sagte
er:"Wie ist das möglich?" "Es ist Weihnachten, das ist
alles!" antwortete der kleine Junge. "Lauf Rasputin, lauf nach
Hause!"
Als sie den Wald verlassen hatten, kamen sie wieder auf die Wiesen. Doch dort,
wo zuvor noch das Gras einen halben Meter hoch gestanden hatte, breitete sich
eine große, weiße Schneedecke aus. In weiter Ferne ragte der Kirchturm aus dem
wie mit Zuckerguß überzogenem Dorf. In einiger Entfernung liefen Menschen mit
Schlittschuhen auf dem zugefrorenen Weiher, ein kalter Wind blies das Juchzen
der Kinder über die vereisten Felder. "Darf ich?", fragte Rasputin
leise. "Natürlich, es ist doch Weihnachten.", lachte der kleine Junge
und stieg vom Rücken des Pferdes. Mit einem lauten Grunzen ließ sich Rasputin
in den Schnee fallen. Er wälzte sich von einer auf die andere Seite, stieß ein
ums andere Mal ein wohliges Wiehern aus, stand auf, um sich den dicken Schnee
von seinem Pelz zu schütteln und um dann gleich wieder in die weiße Pracht zu
versinken.
Nach einer Weile blieb Rasputin erschöpft liegen. "Wie ist das alles möglich?",
fragte er den kleinen Jungen der neben ihm stand. "Es ist Weihnachten
Rasputin ,DEIN Weihnachten."
Ja, dachte Rasputin, das ist wirklich Weihnachten. Und trotz der äußerlichen Kälte
wurde es ihm sehr warm. Er schloß die Augen und ließ das Erlebte noch einmal
Revue passieren: Den Frühling den Sommer, den Herbst....
"Papa, Rasputin mag nicht aufstehen heute".
Mürrisch sah der Bauer seine kleine Tochter an.
"Was ist denn los mit dem alten Esel?", grummelte er und machte sich
dann auf den Weg zum Stall. Nach einer Weile kehrte er in die Stube zurück.
"Rasputin ist Tot", sagte er in die fragenden Gesichter der Familie.
"Ich habe gewußt, er würde den Winter nicht überstehen."
Nur eines konnte sich der Bauer auch nach vielen Jahren nicht erklären.
Überall am Körper des toten Rasputins klebten kleine glitzernde
Schneekristalle, als wäre er in dieser Nacht ganz woanders gewesen.
Ein Freund
vom Kaltblutpferd!
Wer sich beim Ausritt darauf freut, - wenn´s Pferd bei Krach und Plastik
scheut.
Wem beim Gelände durchstreifen - die Hacken auf dem Boden schleifen.
Wer auf sein Pferd steigt ohne Leiter
das ist bestimmt kein Kaltblutreiter!
Wer niemals brach – vor lauter Stolz - mit dem Kaltblut durch das Unterholz.
Wer niemals selbst erlebt – wie im Galopp die Erde bebt.
Als Zugmaschine einen POLO fährt,
der hat bestimmt kein Kaltblutpferd!
Wer niemals wochenlang gehumpelt – als sei ein Bagger übern Zeh gerumpelt.
Wer nie nach einem Stupser flog – geradewegs in den Futtertrog.
Wer lieber hockt am warmen Herd,
der hat bestimmt kein Kaltblutpferd!
Doch:
Wer über „ Achtung Sportpferd“ kann nur lächeln – und hat selbst
reichlich Weideflächen.
Wer sein Pferd mehr liebt als seine Frau – als Führstrick braucht ein
Ankertau.
Wer Weihnachten auch nur halb so mag – wie Detmold´s „Starke-Pferde-Tag“
Und sich ständig gegen Mauke wehrt
das ist ein echter Freund vom Kaltblutpferd!
Wer panzerfeste Boxen baut – beim Absteigen sich den Fuß verstaucht.
Klodeckelgroße Hufe kennt – nicht bei der Hufschmiedrechnung flennt.
Wer dreifach Futterkosten hat – und trotzdem selber wird noch satt.
Kurtz , wem das Beste ist was wert,
das ist ein echter Freund vom Kaltblutpferd!
Wer weiß, das der Kaltblutwiderrist – ganz oben, fast am Himmel ist
Und ruft bei Riesen Pferdehaufen – „...da ist ein Kaltblut hergelaufen!“.
Wer ohne Angst vor großen Tieren – mag stundenlanges Fellfrisieren.
Wer Dicke liebt und sanfte Riesen – dem kann das Schicksal nichts vermiesen.
Bei wem das Hobby Ruh erfährt,
das ist ein echter Freund vom Kaltblutpferd!
Wer ewig in der Gruppe hinten reitet
und auch beim schnellsten Galopp hinterher schreitet
auch wenn er noch so aufbegehrt
der hat bestimmt ein Kaltblutpferd.
Ein Pferd das durch jedes Wasser stampft
und jeden einzelnen Grashalm mampft
mit seinem Bauch die Wege kehrt
das ist ein wahres Kaltblutpferd.
Enion, das Einhorn
Direkt
hinter dem Auenwald lag das riesige Anwesen des reichen Unternehmers Benno. Der
hatte eine Tochter, die Carola hieß und die er abgöttisch liebte. Zu ihrem 12.
Geburtstag hatte Carola sich ein Pony von ihm gewünscht. Benno kannte sein verwöhntes
Kind. Wenn sie Pony sagte, meinte sie das schönste, das man nur bekommen
konnte.
Also schickte Benno mehrere Diener los. Überall in Europa und der ganzen Welt
sollten sie nach hübschen Ponys Ausschau halten. Es war noch in der Zeit, bevor
die Fotografie erfunden wurde. Deshalb gab Benno jedem Diener auch einen Maler
als Begleiter mit auf den Weg. Sobald ein Diener glaubte, ein herausragend schönes
Pony entdeckt zu haben, ließ er ein Bild davon malen und an Benno schicken.
Doch was Benno auch immer seiner Tochter an Abbildern vorlegte, nie war sie
zufrieden. Immer behauptete sie, ein Mädchen zu kennen, das ein noch viel schöneres
Pony ritt.
Da wurde Benno erst traurig, dann verzweifelt und schließlich wütend. Im Zorn
verließ er sein Haus und machte sich auf zur Jagd in den Auenwald. Nach einiger
Zeit stieß er auf eine Lichtung und wollte zunächst nicht glauben, was er dort
sah. Da graste ein Pony, schöner als er es sich je hätte vorstellen können,
mit einem Fell, das in goldenen Farben leuchtete. In höchster Erregung überlegte
er, wie er das Tier einfangen und zu Carola bringen könnte. Schießen durfte er
ja nicht. Ein totes oder verletztes Pony hätte seiner Tochter keine Freude
bereitet. So warf er sein Gewehr von sich. Er ging vorsichtig auf das Tier zu
und rief flehentlich: „Bitte bleib stehen, ich werde dir ewig dankbar sein!“
Das Pony lief nicht weg. Verdutzt schaute es auf und fragte: „Wer bist du?“.
Benno war so aufgeregt, dass er sich zunächst nicht darüber wunderte, das Pony
reden zu hören. Hastig berichtete er ihm von seinem Anliegen.
„Unsere Erfahrungen mit den Menschen sind sehr schlecht“, antwortete das
Tier. „Sie sind oft verlogen, unzuverlässig, überheblich und grob. Deshalb
haben meine Freunde und ich uns in diesen Wald zurückgezogen. Nur selten
verlassen wir ihn. Aber ich habe mir Gedanken darüber gemacht. Wir und die
Menschen leben auf derselben Erde. Deshalb macht es keinen Sinn, wenn wir uns
aus dem Weg gehen. Also begleite ich dich zu deiner Tochter. Außerdem bin ich
ein wenig eitel. Ich will wissen, ob sie findet, dass ich das schönste Pony
bin.“
Carola war außer sich vor Entzücken. Zärtlich streichelte und umarmte sie das
Pony und rief: „Ein so schönes Tier gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.
“Sie nannte es Enion. Glücklich schwang sie sich auf seinen Rücken und führte
es ihren Freundinnen vor. Die betrachteten voller Neid das prächtige Tier.
Jedoch nach wenigen Wochen schon verlor Carola das Interesse an Enion. Sie hatte
ihre Liebe zum Tanz entdeckt, nahm regelmäßig darin Unterricht und vernachlässigte
ihr Pony. Das suchte sich deshalb eine Lücke in dem Zaun, der sein Gehege
umgab. Es machte sich selbständig, um die Gegend zu erkunden und vielleicht auf
Artgenossen zu treffen.
So kam es am Vorgarten eines großen Hauses vorbei. Dort musste es mit anhören,
wie ein Mann und eine Frau heftig miteinander stritten. „Dumme Kuh“, schrie
der Mann. Wieso sagt er Kuh zu ihr, wo sie doch ein Mensch ist, dachte Enion und
trabte weiter. Bald traf es auf zwei Männer, die schwere Lasten schleppten. Ein
dritter trieb sie an. Er war dreimal so groß und stark wie sie, ein wahrer
Riese. „Warum ist es nicht so, dass der Starke die Lasten trägt? Weshalb müssen
das die viel Schwächeren tun?“, fragte sich Enion.
Wenig später begegnete das Pony einer Gruppe von Menschen, die unartikulierte
Laute ausstießen, hin und her torkelten und dabei immer wieder zu Boden fielen.
Als es nahe herangekommen war, versuchte einer aus der Gruppe, sich an ihm
festzuhalten. Der Mann lallte: „Du … du kommst mir – hick – wie gerufen.
Trag mich – hick – sofort in die nächste Kneipe.“ Aus tiefstem Bauch
heraus ließ er einen Rülpser erklingen. Dann zog er sich an Enions rechter
Flanke hoch, setzte sich auf seinen Rücken, um auf der linken Seite gleich
wieder herunterzufallen. Enion schüttelte sich und lief davon. „Der Wein ist
ein herrliches Getränk“, sagte das Tier zu sich, „doch er besitzt keinen
Verstand. Warum lassen sich Menschen von ihm berauschen und liefern sich ihm
aus? Müsste es nicht so sein, dass die ach so klugen Menschen über den Wein
bestimmen und nicht umgekehrt?“
Das Pony fand auf seine Fragen keine Antwort. Es lief zurück in sein Gehege, wo
niemand seine Abwesenheit bemerkt hatte. Während der folgenden Nacht konnte es
nicht schlafen. Es grübelte, strengte sein Gehirn an, um eine Erklärung für
das Erlebte zu finden. Schließlich wurde es sehr zornig darüber. Das Blut
stieg ihm in den Kopf. Es fühlte, wie dieser fast zu zerspringen drohte. Er
wurde schwer und schwerer, und als Enion am frühen Morgen in einer Tränke sein
Spiegelbild sah, stellte es fest, dass ihm ein stattliches Horn aus der Stirn
gewachsen war.
So sehen doch Einhörner aus, dachte Enion. Ihm wurde klar, warum es sich nie
wie ein normales Pony gefühlt hatte. Es richtete sich auf, hielt sein Horn in
die Höhe und rief: „Jetzt bin ich Enion das Einhorn. Nun muss ich jemanden
suchen, der mich lehrt, wie man sich als Einhorn verhält.“
Als am späteren Morgen einige von Bennos Bediensteten in die Nähe des Geheges
kamen und sahen, dass Enion ein Horn gewachsen war, schrieen sie entsetzt auf
und liefen davon.„Wenn ihr mich nicht als Einhorn akzeptieren wollt, gehe ich
meine eigenen Wege“, murmelte Enion. Sofort verließ das Tier sein Gehege. Es
lief einen langen, staubigen Weg entlang. Dabei begegnete es einem müden, in
Lumpen gekleideten Wanderer. „Ich heiße Adam“, sagte dieser, „und bin auf
dem Weg zu meinem alten Vater. Der hat meinen Bruder Zyprian und mich zu sich
gerufen. Er will sein Erbe unter uns aufteilen, weil er fühlt, dass ihm der Tod
nahe ist. Ich bin arm, schwach und hungrig. Dankbar werde ich sein für alles,
was mein Vater mir hinterlässt.
Enion bot Adam an, ein Stück des Wegs auf ihm zu reiten. Das Einhorn hatte
Mitleid mit dem Mann, der so aussah, als habe er vieles gewollt und als sei
nichts ihm gelungen.
Als sie am Haus des Vaters anlangten, war auch schon Zyprian, Adams Bruder, dort
eingetroffen. Er war ein elegant gekleideter Herr. Ganz anders als Adam strahlte
er Zufriedenheit und Erfolg aus. Der Vater trat vor seine Söhne. Mit matter
Stimme erklärte er: „Leider bin ich verarmt und habe euch nur zwei Dinge
anzubieten. Mein Wunsch ist es, dass ihr euch darüber einigen sollt. Seht
diesen wunderschönen Rubin und hier diese Rolle gepökeltes Fleisch. Das ist
alles, was ich noch besitze.“
Zyprian warf einen begehrlichen Blick auf den Rubin. Doch noch ehe er sich
getraute, seinen Wunsch zu äußern, hatte Adam schon nach der Fleischrolle
gegriffen. „Wie froh wäre ich, wenn ich die haben könnte“, sagte er.
Schnell wurden sich die Brüder einig, und der Vater zog sich zurück. Adam und
Zyprian umarmten sich. Beide waren froh, dass es nicht zum Streit zwischen ihnen
gekommen war. Vergnügt setzten sie sich zusammen, und Adam begann sofort, von
dem gepökelten Fleisch zu essen.
„Wenn ich ehrlich sein darf, Bruderherz“, sagte Zyprian zu Adam, „auch ich
spüre plötzlich ein Hungergefühl. Ich wäre dankbar, wenn du mir ein Stück
von deiner Rolle abgeben könntest.“
Adam gab ihm die Hälfte des Fleischs und erklärte schmatzend: „Jetzt musst
du mir auch die Hälfte von deinem Rubin abgeben.“
Zyprian zog den Stein aus seiner Tasche, machte eine schneidende Bewegung mit
der Hand und erwiderte: „Du siehst, der Rubin lässt sich nicht teilen, so
gern ich das auch tun wollte.“ Adam sah das ein, und so verabschiedeten sich
die Brüder bald voneinander.
Enion, das Einhorn aber, das alles mit angesehen und gehört hatte, schüttelte
sein Horn. Es war ihm, als wenn es nichts mehr verstehen könnte und es drückte
ihm das Herz zu. Tief traurig lief es davon und zog sich wieder in den Auenwald
zurück. Dort wartet es darauf, dass ein Mensch kommt, der treu und redlich ist
und ihm die Welt erklärt.
Dreizehn Pferde
In
den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein kleines Mädchen.
Es war so hübsch anzuschauen, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen
hatte, sich verwunderte, so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe
bei dem Hause, in dem das Mädchen mit ihrer Familie lebte, lag ein kleiner
Wald. In dem Wald war eine gro�e Lichtung. So
oft es ging, lief das kleine Mädchen zu dieser Lichtung und setzte sich in die
Sonne, um zu träumen. Auch
an diesem Wintertag schlich sie hinaus in den Schnee. Sie
träumte seit langem schon von einem eigenen Pony, einem Pferd von anmutiger Schönheit,
das
ihr allein gehören sollte und sie tragen würde, wohin immer sie es wollte.
Und da in den alten Zeiten das Wünschen noch half und Atfangadagür, der Heilige Abend, nicht mehr weit war, schloss sie die Augen und...
Plötzlich begann die Erde zu beben, Staub
wirbelte auf und am Waldesrand erschienen vier Elfen auf vier rabenschwarzen
Pferden. Die Nüstern der Pferde waren gebläht, ihre Mähnen wehten im Wind,
ihr Fell glänzte in der Sonne. In nimmermüden Sprüngen stoben sie durch
den vorweihnachtlichen Schnee an dem Mädchen vorbei.
Doch
unter ihnen war nicht das von dem Mädchen erträumte Pferd, es war nicht das,
was sie sich wünschte...
12
Pferde wirst Du staunend schaun
doch keinem vertraun
auf Hoffnung baun
dass dein Wunsch Wahrheit werde
bis das dreizehnte der Pferde
dich davonträgt..... wohin immer du willst,
wohin immer du willst........
Kaum
waren die Rappen ihr aus den Augen so erschienen erneut vier Elfen auf vier
wunderschönen Pferden
mit fuchsfarbenem Fell, schlauen Augen und Schnee in der Mähne. Auch
sie stürmten durch den Schnee an ihr vorbei. Doch
unter ihnen war nicht das von ihr erträumte Pferd, es war nicht das, was sie
wollte.
Und
wieder sprach die Stimme zu ihr:
12
Pferde wirst Du staunend schaun
doch keinem vertraun
auf Hoffnung baun
dass dein Wunsch Wahrheit werde
bis das dreizehnte der Pferde
dich davonträgt..... wohin immer du willst,
wohin immer du willst........
Traurig
schaute das Mädchen den Pferden hinterher. Doch
kurz nachdem die Stimme verstummte ertönte erneut der Hufschlag von Pferden
auf dem eisigen Boden und auf die Lichtung stürmten vier Schimmel,
wunderschön anzuschauen, geritten von vier lieblichen Elfen. Die
Pferde liefen dicht aneinandergedrängt um die Lichtung herum und
näherten sich schnaubend dem kleinen Mädchen, welches erstaunt und
verwundert auf der Lichtung im Schnee saß. Ein
Raunen ging durch die Menge der Reiterinnen und
sie drehten sich zum Rande der Lichtung um: dort trat die gute Zauberin
aus dem Schatten des Waldes und führte ein wunderschönes, braunes Pferd
mit sich und sprach:
12
Pferde hast du nun geschaut
doch keinem vertraut
auf die Hoffnung gebaut
dass dein Wunsch Wahrheit werde
und hier ist das dreizehnte der Pferde
das dich tragen wird..... wohin immer du
willst.....
wohin immer du willst.
Und
die Moral von der Geschichte: Gib nie deine Träume aus, sie könnten eines
Tages wirklich Wahr werden...